Feuerkugel

Technobeats hämmerten in seine Ohren, während seine Beine in die Pedale traten und ihn entlang eines Waldstücks führten. Plötzlich verstummte die Musik, ein greller Lichtblitz, gefolgt von einem ohrenbetäubenden Knall erhellte den abendlichen Herbsthimmel.

Jeff drückte beide Bremshebel seines Gravelbikes durch, kam zum Stehen und blickte in Richtung des Knalls.

Ein Feuerball rauschte in den Wald und explodierte in einem gewaltigen mehrfarbigen Pilz, die Bäume brannten und der passionierte Radsportler schaute auf die unwirkliche Szenerie. Angst und Neugier fochten einen innerlichen Kampf aus, als er eine Münze aus seiner Geldbörse zückte, hoch warf und auf der Textiloberfläche seiner Handschuhe landete.

„Mist Zahl, also ab in den Wald…“, sagte er zu sich selbst, trat beherzt in die Pedale und bog in einen unbefestigten Forstweg ein, der ihn zum Ort der Explosion führte.

Um ihn herum herrschte Zwielicht, der Weg in der untergehenden Sonne kaum auszumachen und schaltete das LED-Licht seines Gravelbikes ein. Im tänzelnden Lichtkegel erschien der holprige Pfad besser und in der Ferne wies ihn der Feuerschein den Weg.

Einen schweren Anstieg hochjapsend stand er an einer Gabelung und spürte die Hitze des nahen Feuers auf seinem Gesicht.

In die Pedale tretend folgte er der Feuerhitze und grellen Lichtschein der brennenden Bäume, als er bremste und sich von seinem Sattel schwang.

Das Rad schiebend ging er einem Abhang zu einem Krater herunter, um den ringsherum es lichterloh brannte. Seine Hände vors Gesicht haltend stapfte er durch eine freie Stelle zwischen dem Flammenmeer hindurch und stand in der Mitte der einstigen Explosion.

Seine Augen musterten die Umgebung, schauten auf den Boden und erblickten ein metallisches kugelrundes Objekt, welches blau schimmerte. Pechschwarzer Rauch quoll aus ihr hervor. Jeff nahm allen Mut zusammen und begab sich zu seiner Entdeckung.

Eine vollkommene Kugel ohne erkennbare Nieten steckte vor ihm im Waldboden, die kaum größer als eine Bowlingkugel war. Langsam trat er an sie heran und berührte mit seinen Handschuhen die Oberfläche.

Es knisterte, als seine Finger das metallische Material berührten und spürte eisige Kälte. Mit seinen beiden Händen packte er die Kugel, versuchte sie anzuheben und tatsächlich löste sie sich wie eine Feder vom Waldboden. Der schwarze Rauch verzog sich und Jeff verspürte Übelkeit, hielt inne und packte die Kugel in seinen Rucksack.

Ein letztes Mal blickte er sich um, stieg auf sein Rad, trat wild in die Pedale und donnerte zu seiner Wohnung. Endlich im zweiten Stockwerk angekommen, steckte er den Schlüssel ins Türschloss, drehte ihn um, betrat den Flur und stellte das leichte Gravelbike an der Wand ab. Sogleich öffnete er die Zwischentür zum Wohnzimmer und schreckte zusammen. In der Balkontür spiegelte sich im Schein des Halbmondes die Silhouette einer Gestalt, die auf seiner Couch zu sitzen schien.

„Guten Abend Jeff, ich darf Sie doch Jeff nennen oder?“, ertönte eine tiefe gefühlskalte Stimme hinter ihm. Jeff schaltete inständig das Licht ein und drehte sich um.

Auf seiner Couch saß ein schwarzgekleideter Mann mit blassen Gesichtszügen und schmächtiger Statur. Sein Anzug schien maßgeschneidert, er trug pechschwarze glänzende Lederschuhe und einen schwarzen Hut.

„Wer sind Sie und wie kommen Sie in meine Wohnung, die immerhin im zweiten Stockwerk liegt und deren Balkontür dreifach gesichert ist?!“, wollte Jeff wissen, auf dessen Stirn sich Schweißtropfen bildeten. Er fröstelte, als eiskalter Schweiß seinen Rücken hinunterfloß.

„Mein Name tut nichts zur Sache und wie ich in ihre Wohnung kam, spielt absolut keine Rolle, verstehen Sie? Also, sie haben da etwas, was nicht in ihre Hände gehört und in ihren Rucksack steckt!“, erwiderte er in einem sonoren drohenden Unterton.

„Verschwinden Sie aus meinem Heim aber plötzlich, hop hop oder ich rufe die Polizei“, drohte der trainierte Radfahrer, seinen Rucksack ablegend und die Fäuste vor Wut ballend.

Der unheimliche Gast stand plötzlich auf, packte Jeff an den Nacken und presste seinen Kopf gegen die Wand.

„Sie tun mir weh, bitte lassen Sie mich los und am Leben“, flehte er, worauf der düstere Mann seinen Griff löste.

„Ich nehme die Kugel an mich und sollten Sie auch nur irgendjemand von ihrem Erlebnis erzählen, werden Sie nie keinen Tag sicher sein. Wenn Sie sich offenbaren, der Presse, ihren Freunden oder Familie etwas flüstern, dann haben Sie ihr Leben verwirkt“, drohte der Kerl, packte Jeff am Oberkörper, warf ihn auf die Couch und erhob seinen Zeigefinger.

„Eines Tages werden Sie mit dem Rad unterwegs sein und einen tödlichen Unfall haben! Wagen Sie es nicht, nur ein Wörtchen über die Kugel und mich zu verlieren, ach übrigens schöne Wohnung!“, verabschiedete die finstere Gestalt sich und reichte Jeff eine Phiole mit blauer schimmernder Flüssigkeit.

„Was ist das?“, fragte er verdutzt im halb benommenen Zustand.

„Der schwarze Rauch den Sie einatmeten, Jeff, zersetzt ihren Körper innerhalb einer Woche von innen, es sei denn Sie trinken die Phiole mit dem Gegenmittel. Ihr Menschen seid eine verdammt schwache Spezies“, antwortete der Mann in Schwarz, holte die Kugel aus dem Rucksack und verschwand in einem wabernden Nebel.

Jeff spürte stechende Bauchschmerzen und rannte zur Toilette. Dicke Blutstropfen triefen aus seiner Nase und Mund. Seine Augenränder verfärbten sich zu einem dunklen Rot. Schnell griff er zur Phiole, öffnete den silbernen Verschluss und trank die blaue Flüssigkeit.

Etwas Metallisches spürte er, als sie seine Zunge berührte und merkte innerhalb weniger Sekunden eine schlagartige Besserung. Seine Bauchschmerzen lösten sich und die roten Augenränder verblassten in Sekundenschnelle.

Dieses Erlebnis würde Jeff nie im Leben vergessen.

(c) 2021 by Andreas Krämer

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